Höchster Wasserfall Schwedens, der älteste Klon-Baum Schwedens oder gar der Welt „Old Tjikko“, barrierefreie Wege und Grillstellen rund um das Besucherzentrum, sowie anspruchsvolle Wanderungen – Der Fulufjället Nationalpark glänzt mit Superlativen und einer guten Infrastruktur.
Massentourismus im Nationalpark
Und doch fühle ich mich nach der Ruhe und Abgeschiedenheit des Töfsingdalen ein wenig fremd in dem Trubel hier. Und dabei ist bereits Nachsaison! Wie mag es hier im Hochsommer zugehen? Eine Vorstellung davon vermittelt der große Parkplatz sowie die ausgewiesenen Ausweichmöglichkeiten bei Überfüllung. Jetzt im September ist der Parkplatz nicht einmal zur Hälfte belegt und zudem kostenfrei.
Mein Plan ist klar und der Zeitplan straff gesteckt: Besucherzentrum, Wasserfall und Klonbaum, eben die bekannten Highlights. Wenn möglich, möchte ich auch eine Wanderung über die Hochebene unternehmen. Erschwerend für mich ist einmal mehr die Sonne, die sich höchstens kurz mal zeigen könnte.
Mit gutem Fotolicht sollte es den ganzen Tag nichts mehr werden, aber wenigstens haben die Wolken noch etwas Struktur. Das Naturum (Besucherzentrum) des Fulufjället Nationalparks ist schön, aber auch schnell besichtigt. Nützliche Tipps für meine Wanderung auf der Hochebene sind eingeholt.
Infrastruktur des Fulufjället
Auf dem Weg zum Wasserfall fällt mir der immense Aufwand auf, der in den Bau der Wege gesteckt wurde. Ein barrierefreier Zugang für alle! Eingeschränkte Mobilität ist hier kein Hindernis. Dennoch erscheint mir einiges ein wenig übertrieben. Wem nützen aufwändig in den Hang gezimmerte Holztreppen, die regelmäßig erneuert werden müssen und ein barrierefreier Holzweg hinter zum Wasserfall, der – wie in meinem Fall – komplett gesperrt ist, weil er erneuert werden muss?
Ist das der Preis für ein Marketing, das den Fulufjället Nationalpark zu einem der meistbesuchten Nationalparks Schwedens gemacht hat? Das Ganze kommt mir ein wenig wie ein Disneyland der Natur vor. Wahrscheinlich ist das genau das, was viele Besucher sich wünschen, aber meins ist es nicht. So bin ich denn auch froh, als ich auf den Pfad Richtung Old Tjikko einschlage, der nun eher meine Vorstellung entspricht, aber eben auch deutlich anspruchsvoller ist.
Old Tjikko – Klonbaum der Superlative?
Old Tjikko ist eines der Superlative, mit dem die Touristiker im Fulufjället Nationalpark um Besucher werben. Teilweise wird er sogar als der älteste Baum der Welt bezeichnet. Jedenfalls darf dieser Titel stark angezweifelt werden. Über der Erde ist von dem auf 9550 Jahre geschätzten Baum nur eine kümmerliche Fichte sichtbar. Sein Alter liegt verborgen im sich immer wieder regenerierenden Wurzelwerk.
Wie geplant erkunde ich noch ein wenig die Hochfläche und hier bin ich fast alleine Unterwegs. Würde die Sonne herauskommen, wäre ich hier oben rundum glücklich. Aber auch so steige ich nach ein paar Stunden zufrieden wieder zum Auto ab, denn für heute habe ich noch ein weiteres Ziel.
Fulufjället Nationalpark im Wandel
Weiter im Süden des Fulufjället Nationalparks, der sich übrigens über der Grenze mit seiner norwegischen Schreibweise Fulufjellet fortsetzt, wurde vor einigen Jahren ein ganzes Waldgebiet von einem Hochwasser komplett weggerissen. Hier kann man live erleben, wie ein neuer Pionierwald sich die Fläche zurückerobert. Im Naturum hat man mich auf dieses Ziel hingewiesen.
Ein überschaubarer Parkplatz am Ende der kleinen Schotterstraße zeigt bereits, dass sich für diesen Teil deutlich weniger Besucher interessieren. Auch für mich bleibt die kleine Wanderung eher enttäuschend. Viel mehr als dichtes Dickicht ist kaum zu sehen. Ein Pionierwald eben – biologisch sicherlich interessant und wertvoll, aber für den durchschnittlichen Besucher eher unspektakulär. Mit gemischten Gefühlen stiefel ich zurück zum Auto.
Übertriebene Erwartungen?
Habe ich etwas verpasst? Wäre es mit etwas Sonne schöner gewesen? Bestimmt! Der Wasserfall ist sicher schön, Old Tjikko interessant und die Wanderung auf der Hochebene hat mir wirklich gut gefallen. Sicherlich spielen auch die Gedanken an den letzten noch ausstehenden Nationalpark bei mir bereits wieder eine wichtige Rolle und schlagen mir aufs Gemüt. Noch immer weiß ich nicht, ob ich diesen erreichen werde und die Chancen stehen nicht allzu gut. Vielleicht resultiert die leichte Enttäuschung aber auch aus den übertriebenen Erwartungen, die durch die Vermarktung des Fulufjället Nationalparks mit Superlativen geweckt wurden. Denn objektiv betrachtet ist der Park dann doch schön, vor allem wenn das Wetter mitspielt!
Der Hamra Nationalpark wurde 1909 zeitgleich mit acht weiteren Nationalparks als erster Nationalpark Europas gegründet. Ursprünglich umfasste er nur eine winzig kleine Fläche, einen isolierten Urwald, der durch die umliegenden Moore schwer zugänglich war und so der forstwirtschaftlichen Nutzung entgangen ist. Heute gehören diese Moore und ihre Seen mit den Schwingrasen zum Nationalpark dazu.
Neue Herausforderungen
Nachdem ich die nördlichen Nationalparks trotz einiger Hindernisse alle besuchen konnte, bin ich froh, dass ich viel weiter in den Süden komme. Die Risiken, dass Schnee und schlechtes Wetter mein Vorhaben alle Nationalparks zu besuchen gefährden könnte, minimieren sich ein wenig.
Ausgestanden sind die Herausforderungen jedoch bei weitem nicht. Wie Blei lastet weiter die Aufgabe auf mir, zum Gotska Sandön Nationalpark zu kommen. Im Augenblick jedoch plagen mich andere Gedanken: Hamra, Töfsingdalen, Fulufjället und Sonfjället sind vier Nationalparks, die relativ nahe beieinander liegen. Das Wetter hat sich nun endgültig eingetrübt. Sonnenstunden sind kaum noch zu erwarten. Dennoch wird die Topografie der Berge für unterschiedliche Bedingungen sorgen und ich plane jeweils den Park als nächstes zu besuchen, der die besten Vorhersagen hat.
Auf zum Hamra Nationalpark
Für morgen ist es der Hamra Nationalpark, der die besten Aussichten hat. Die Fahrt dorthin ist alles andere als ermutigend. Um mir einige Kilometer zu sparen, biege ich auf eine Nebenstraße ab. Google sagt mir nicht, dass nun 60 km Schotterpisten auf mich warten, die ich im teils strömenden Regen alleine durch die Pampa fahre. Hier liegen zu bleiben wäre ein Albtraum, Handyempfang nicht gewährleistet, alle paar Tage mal ein Auto, der Fußmarsch zu den nächsten Häusern … ich schiebe die Gedanken beiseite. Lieber freue ich mich, in einer Regenpause ein paar Ren zu Gesicht zu bekommen.
Dennoch bin ich froh, als ich wieder Asphalt erreiche und da der Schlamm auf meinem Auto zum Glück noch nicht antrocknen konnte und es immer wieder regnet, kommt auch die weiße Farbe langsam wieder zum Vorschein. Die letzten Kilometer zum Parkplatz des Haupteingangs (Huvudenrén) sind dann aber mal wieder holprige Schotterpiste.
Hoffen auf die Regenpause
Eine Trockentoilette und die zahlreichen Hinweistafeln sind alles, was ich heute noch besuche, bevor ich mich neben zwei anderen Campern in meinen unbeheizten Bus begebe. Hoffentlich wird das Wetter morgen besser, sind die letzten Gedanken vor dem Einschlafen.
Am Morgen hat es aufgehört zu regnen und die nächsten Stunden soll es zunächst trocken bleiben. Für mich die Gelegenheit, den alten ursprünglichen Nationalpark mit seinem einzigartigen Wald zu besuchen. Die Erfahrung hat mich gelehrt, dass im Wald diffuses Licht zum Fotografieren kein Nachteil ist. Ich will nichts unversucht lassen, ein paar ansehnliche Fotos vom Nationalpark zu schießen und mache mich auf den Weg.
Der Urwald des Hamra Nationalparks
Durch die Ausweisung als Nationalpark ist der Wald von Hamra wohl der am besten dokumentierte Wald Schwedens, vielleicht von ganz Europa. Jeder einzelne Baum, auch die schon abgestorbenen, am Boden liegenden Stämme wurden bereits Anfang des 20. Jahrhunderts fein säuberlich kartiert und die Daten stellen für heutige Forschungen einen ungeheurer Schatz dar.
Auch wenn dieser kleine Wald nicht den Flair der viel größeren und imposanteren Wälder des schwer zugänglichen Töfsingdalen oder des weit im Norden liegenden Stora Sjöfallet verströmt, ist er doch wirklich sehenswert. Die Zugänglichkeit ist hier rund um den Parkplatz und in Teilen des alten Nationalparks barrierefrei gestaltet! Fantastisch angelegte Grillplätze und umfangreiche Informationstafeln und Prospekte zum Mitnehmen machen den Urwald hier für jeden zu einem Erlebnis. Der hintere Teil der „Urskogslingan“ bedarf dann aber doch etwas Trittsicherheit. Schnell habe ich die schöne Runde absolviert und will nun auch den neueren Teil des Parks erkunden.
Der neue Teil des Hamra Nationalparks
Es mag verschiedene Gründe gegeben haben, den Park zu erweitern. Vielleicht war es auch der drohende Verlust des Ranges als Nationalpark. Die ursprüngliche Größe würde eine heutige Ausweisung nicht mehr rechtfertigen. Die Moore rund um den alten Teil sind es jedenfalls wert, dass sie in das Schutzgebiet integriert wurden. Vorbei an den Grillplätzen mache mich erneut auf den Weg. Nun erkunde ich die „Myrslingan“. Schöne Wege, oft über gut angelegte Bohlen, lassen mich in eine ganz andere Welt eintauchen. Die Sonne kommt zwar leider nicht raus, aber es bleibt noch trocken. Deshalb beschließe ich einen Abstecher bis zur Übernachtungsstelle mit seiner Windschutzhütte am Ormtjärnen-See zu machen.
Die wunderbare Lage der Hütte hat die Mühe gelohnt, aber nun zieht es wieder mehr zu und ich mache mich auf den Rückweg. Ganz trocken komme ich nicht mehr zum Auto. Für heute ist Schluss. Nur am Abend gehe ich noch einmal während einer Regenpause zur vordersten Grillstelle auf einem Bohlensteg ins Moor. Eine Familie ist bereits dort, aber ich werde eingeladen mich mit ans Feuer zu setzen. Meine noch aus Deutschland mitgebrachten Roten landen auf dem Grill. Besser hätte ich den Tag wirklich nicht nutzen können.
Der Südteil
Am nächsten Morgen scheint es etwas heller. Ich mache mich noch einmal beidseitig der Straße ein Stück auf den Weg in der Hoffnung, dass die Bilder etwas besser werden als gestern. Dann fahre ich weiter zum zentral gelegenen Eingang „Myrentrén“. Ein kurzer Abstecher zu einem Aussichtturm beschert mir den besten Fotomoment in diesem Park. Für einen kurzen Moment kämpft die Sonne, bevor sie dann doch wieder aufgibt.
Zumindest den Südteil will ich noch ein wenig gesehen haben. Die Schotterpiste dorthin fordert meine Aufmerksamkeit, aber bald habe ich den Parkplatz am Eingang „Svartåentrén“ erreicht. Die 3 km der „Svartålingan“ sind anstrengender als gedacht. Dieser Teil des Hamra Nationalparks wurde von der Forstwirtschaft geprägt. Den biologischen Wert, wie der alten Teil im Norden hat er bei weitem nicht. Die Runde führt zu einer kleinen Aussicht. Viel mehr als die umliegenden Bäume und ein wenig vom Gegenhang auf der anderen Bachseite ist dort nicht zu sehen. Begeistern kann sie mich nicht. Aber das liegt bestimmt auch am Wetter. Mir kommt der Südteil vor, wie ein nicht zum Nationalpark passendes Stück, dass man ausgewiesen hat, um die notwendige Größe des Schutzgebietes sicherzustellen.
Abwarten
Das Wetter hat sich inzwischen nämlich wieder zugezogen. Und morgen soll es weder hier noch in den umliegenden Parks gut sein. Der angekündigte Regen ermöglicht mir sicher nicht, gute Fotos für meinen Reiseführer zu machen. Für mich die Gelegenheit, etwas Tempo rauszunehmen und noch eine Nacht hierzubleiben, um dann morgen einen entspannten Standortwechsel zu machen. Wohin ist mir noch nicht klar. Für den Hamra Nationalpark ziehe ich für mich jedoch eine positive Bilanz, auch wenn ich mir für den nächsten Besuch besseres Wetter erhoffe.
Meine erste Reise neigt sich nun dem Ende zu. Ein letzter Park, der Söderåsen Nationalpark steht auf dem Programm. So oft nun wurde ich von den kleinen, stadtnahen Parks überrascht. Die Bilder, die ich vorher gesehen hatte, haben mich nicht unbedingt in Ekstase versetzt. Sollte ich auch diesmal meine Meinung ändern? – Ja! Und das liegt nicht nur an der Natur, sondern auch an dem, was die Schweden daraus machen und wie sie damit umgehen!
Zum zweiten Mal bin ich im Store Mosse Nationalpark und frage mich wie man das größte südschwedische Moor in Bilder fassen soll. Die endlose Weite, in der das Auge kaum halt findet ist mir in Erinnerung. Diesmal zieht mich der südliche Teil des Parks mit einem atemberaubenden Abendlicht in seinen Bann.
Dem Tiveden Nationalpark galt mein erster Besuch in einem Nationalpark in Schweden. Und er hat mich so sehr begeistert, dass mein Interesse für das Nationalpark-System in Schweden geweckt war. Hier habe ich begriffen, dass sich dieses ganz wesentlich von den deutschen Nationalparks unterscheidet und viel mehr Erlebnis-Möglichkeiten bietet.