Der Sarek Nationalpark ist wahrscheinlich der bekannteste Nationalpark Schwedens. Der Park gilt vielen als die letzte Wildnis Europas und weist einige Superlative auf: Er wurde zusammen mit einigen anderen Parks in Schweden als erster Nationalpark Europas ausgewiesen. In ihm gibt es die meisten 2000er Lapplands und fast 100 Gletscher charakterisieren die Gebirgsregion des einzigartigen Schutzgebietes. Der Sarek gehört zum Weltkultur und Naturerbe Laponia der UNESCO.

Ein Kindheitstraum wird war, endlich werde ich den Sarek Nationalpark sehen. Die anderen Nationalparks Laponias habe ich ja schon besucht und die Erlebnisse in meinem Blog beschrieben. Es ist alles viel besser gelaufen, als gedacht. Und dennoch ist mir bewusst, dass die Unternehmungen hier nördlich des Polarkreises Anfang September am seidenen Faden hängen. Das Wetter ist zur Zeit nicht beständig und hat bisher die Reihenfolge bestimmt, in der ich die Nationalparks besucht habe. Aber nun ist hier oben nur noch der Sarek übrig und nach den Wetterprognosen ein Zeitfenster von gerade einmal zwei Tagen, in denen es noch einigermaßen sein soll. Wie will ich das schaffen? Die Schmerzen an den Füßen, die ich seit ein paar Wochen habe, begleiten mich weiterhin im wahrsten Sinne auf Schritt und Tritt.

Ein Mountainbike und ein Rucksack auf einer Brücke.
Ideales Verkehrsmittel für die ersten Kilometer

Den Sarek kann ich sowieso nur am Rande kratzen. 1970 km² ist er groß. Rund 8 Mal so groß wie der deutsche Nationalpark Bayerischer Wald. Dabei ist der Sarek aber so gut wie unerschlossen. Ganz am Rande streifen ihn ein paar Wege wie der Kungsleden. Von diesem abzweigend führt ein Pfad auf den Skierffe, den meist besuchten Aussichtsberg des Sarek. Bis hierher kommt man als „gewöhnlicher“ Wanderer, der auf Wege angewiesen ist. Das dürfte neben der markanten Form und dem atemberaubenden Blick ins Rapadalen der Grund für seine Bekanntheit sein.

Schnellster Zugang zum Sarek Nationalpark

Bei meinen Recherchen war es gar nicht so einfach, den kürzesten Zugang zu finden. Am besten quert man von einem Parkplatz am östlichen Ufer des Tjaktjajavrre zum bekannten Kungsleden bei Aktse. Noch am selben Abend nach meiner Rückkehr aus dem Padjelanta Nationalpark bin ich auf der Straße dorthin unterwegs. Es ist eine der tückischsten Straßen, die ich bisher gefahren bin. Der Asphalt hat immer wieder Risse und heftige Teerblasen. Diese sind teilweise so groß, dass man leicht an ihnen hängen bleiben oder aufsitzen und sich das Auto komplett zerstören kann. Zwar wurden sie mit Farbe markiert, aber diese ist schon sehr ausgeblichen und die Hindernisse sind bei dem Licht wirklich schlecht zu erkennen.

Die Schotterstraße, die sich anschließt, ist da weniger trügerisch. Vor Einbruch der Dunkelheit erreiche ich den Parkplatz und kann mir noch gut ein Bild von der Situation machen. Ein paar Autos stehen bereits da. Ich koche noch etwas und ich richte mich dann für die Nacht ein. Ich möchte versuchen die Tour in zwei statt der üblichen drei Tagen zu machen.

Der nächste Morgen beginnt vielversprechend! Die Sonne kommt hin und wieder kurz durch und während ich mich für den Aufbruch richte, rollt jemand mit dickem Rucksack und Fahrrad zu einem Campingbus neben mir. Ich werde stutzig. Bisher hätte ich mir auf solchen Touren mit dem Mountainbike keinen Gefallen getan. Nach einem kurzen Gespräch ändere ich meinen Plan! Zehn Kilometer führt eine Naturstraße nach hinten, ab dort folgt nur noch ein schmaler, leicht verblockter Weg. Während der Saison gibt es sogar die Möglichkeit mit einem von Samen betriebenen Boot bis dort hin zu gelangen, aber nicht mehr jetzt im September.

vom Bootssteg Blick zum Skierfe und den Sarek Nationalpark
Blick zum Skieffe vom Ende der Zufahrtsstraße

Erstes Ziel: Aktse

Ich hole das Rad aus dem Auto und baue es zusammen. Mit Zelt und Rucksack für zwei bis drei Tage steige ich auf. Durch das Gepäck auf dem Rücken ist es etwas mühsam die holprige Piste zu fahren aber ich bin happy. Mit einem Mal erscheint die Tour in zwei Tagen kein großes Problem mehr zu sein. Immer wieder kommen mir andere mit ihren Rädern entgegen. Unter den Schweden scheint diese Möglichkeit weithin bekannt zu sein. Ich gebe Gas und bin nach 40 Minuten am Ende angelangt. Neben einigen bereits vorhandenen schließe auch ich mein Bike an einen Baum. Noch ein paar Bilder vom Bootssteg aus und dann geht es zu Fuß weiter.

Der Weg zieht sich zunächst auf Bohlen durch ein kleines Moor und dann über einen schönen Pfad durch den Wald. Radfahren würde hier wirklich keinen Sinn mehr machen, mit Gepäck sowieso nicht. Nach ungefähr sieben Kilometern ist Aktse erreicht. Hier besteht auch die Möglichkeit zu übernachten und wenn man die Naturstraße zu Fuß zurücklegt sicher nicht die schlechteste Wahl, denn bis zum Skierffe gibt es keine weiteren Unterkünfte.

Wegweiser vor der STF Hütte bei Aktse am Rande des Sarek Nationalparks
STF Hütte bei Aktse

Der Regen kommt

Ich will aber heute noch weiter kommen. Der folgende Anstieg ist anstrengend und folgt dem Kungsleden. In einigem Abstand fließt ein kleiner Bach, nur selten kommt man ihm nahe. Wer die Übernachtung im Zelt plant, frischt hier noch einmal seine Wasservorräte auf. Leider zieht das Wetter nun immer mehr zu. Oben auf der Hochebene angekommen, zweigt auch schon der Pfad zum Skierffe ab. Überall sind die Übernachtungsstellen hier zu sehen, die für ein kleines Zelt ideale Voraussetzungen bieten und oft auch schon eine kleine Feuerstelle haben. Inzwischen hat der Nieselregen eingesetzt. Ich würde dem Skierffe heute noch so nahe wie möglich kommen, um früh am Morgen oben zu sein. Als der Niesel in anhaltenden Regen übergeht, beschließe ich jedoch an Ort und Stelle mein Zelt aufzuschlagen.

Kaum habe ich es mir im Inneren gemütlich gemacht, schlafe ich auch schon ein. Als ich wieder erwache hat der Regen aufgehört. Mist! Ich hätte doch weiter gehen sollen. Aber jetzt noch mal alles nass einpacken und die Stunde bis Dunkelheit zu nutzen, nicht wissend, ob sich noch weitere gute Zeltplätze finden, macht keinen Sinn. Die Nacht über finde ich nicht richtig in den Schlaf. Zum einen hatte mir jemand erzählt, dass er letzte Nacht Polarlichter gesehen hat und ich schaue immer wieder aus dem Zelt, zum anderen geht es mir auch nicht so gut. Ich hoffe, dass ich nicht krank werde.

Ein kleines Zelt steht in der herbstlichen Landschaft des Sarek Nationalpark.
Zelten – wo immer man will!

Auf geht’s

Als ich am Morgen aus dem Zelt krieche, ist es kalt, aber trocken. Die Sonne kämpft, aber ich habe nicht das Gefühl, dass sie sich bald durchsetzen könnte. Mir geht es wieder etwas besser und ich mache mich bald auf den Weg. Das Zelt lasse ich stehen und unnötige Ausrüstung bleibt da, um die Tour heute schnell durchziehen zu können. Bald verläuft der Pfad durch tiefen Morast. Nur mit Mühe finde ich Möglichkeiten, dass mir die Brühe nicht oben in die Schuhe läuft. Aber bald wird es wieder fester. Ich lasse die Landschaft auf mich wirken, während ich schnaufend den nächsten Absatz erklimme. Hin und wieder begegnen mir andere Wanderer. Alle kommen vom Skierffe oder wollen dort hin. Würde die Sonne sich richtig durchsetzten, wäre ich schon viel zu spät dran für gute Bilder und so sehe ich das trübe Wetter mit gemischten Gefühlen.

Als ich am Fuße des letzten Hanges unterhalb des Gipfels stehe, versuche ich mich zu orientieren. Die Spuren sind nun nicht mehr klar, jeder sucht sich ab hier irgendwie seinen eigenen Weg. Da helfen auch sporadische Steinmännchen nicht bei der Orientierung. Aber so schwer ist das Gelände auch nicht, als dass dies ein Problem wäre. Wichtiger ist mir, mich hier noch einmal mit Wasser auszustatten, dass sich überall als kleine Rinnsale den Weg ins Tal sucht.

Auf dem Skierffe

Und dann ist es geschafft. Es ist mitten am Vormittag, als ich an der scharfen Kante des Skierffe stehe und hinunter in das Delta des Rapadalen blicke. In unzähligen Schleifen meandert der Fluss und schillert in fast unnatürlichen Farben. Oberhalb des Deltas erhebt sich der heilige Berg, der Nammatj mitten in dem Tal . Man kann diese Aussicht schon tausende Male auf Bildern gesehen haben, wenn man oben steht, überwältigt einen dieser Blick! Ich bleibe bestimmt zwei Stunden oben, Die meiste Zeit bin ich allein! Wo sind all die anderen geblieben? Die meisten kommen erst, als ich längst wieder auf dem Rückweg bin. Es sind unvergessliche Momente.

Blick vom Skierfe ins Rapadalen
Aussicht vom Skierffe

Einerseits fasziniert mich diese Landschaft, andererseits blutet mir als Fotograf das Herz, dass ich ausgerechnet hier nicht das perfekte Licht habe. Immer wieder schieße ich aufs neue Bilder, weil ich mir einfach nicht sicher bin, ob sich das Licht minimal verbessert. Erst als es sich definitiv verschlechtert und der Himmel auch keine Hoffnung mehr macht, mache ich mich schweren Herzens auf den Rückweg.

Viele Gedanken auf dem Rückweg

Dieser ist identisch mit dem Hinweg, ich muss mich nicht konzentrieren, kann meinen Gedanken freien Lauf lassen. Im schlimmsten Fall wird es mich heute noch einregnen, aber das macht dann auch nichts mehr. Beinahe hätte ich den Felsblock übersehen, der durch das Arrangement von einigen Steinen wie ein lachendes Gesicht aussieht. Er spiegelt meine Stimmung wieder: Hier haben selbst die Felsen ein Grinsen im Gesicht! Irgendwie erfüllt mich Dankbarkeit, dass ich die vier Nationalparks Laponias besuchen konnte: Muddus, Stora Sjöfallet, Padjelanta und nun noch den Sarek. Ich kann immer noch kaum glauben, wie gut alles funktioniert hat, wie viel Glück ich letztlich auch mit dem Wetter hatte. Dennoch war mein Respekt, den ich vor einer Woche vor den Herausforderungen hatte, auch in Anbetracht meiner Zeitknappheit, sicher nicht unangemessen. Aber Lappland hat sich mir von seiner besten Seite gezeigt …

Unvergesslicher Sarek Nationalpark

Fast! Dieses „fast“ beschäftigt mich. Inzwischen habe ich mein Zelt eingesammelt, und bin trocken bis zu meinem Fahrrad gekommen. Heute brauche ich viel länger für den Rückweg mit dem Mountainbike, ich spüre nun doch die Strapazen der letzten Tage. Als ich jedoch gut eine Stunde später mein Fahrrad ins Auto verlade, bin ich mir sicher, um aus dem „fast“ ein „perfekt“ zu machen, werde ich wieder kommen und dann werde ich so lange warten bis ich am Skierffe das perfekte Licht habe. Oder aber ich werde mir einen Kindheitstraum erfüllen und den Sarek im Winter unter dem Polarlicht besuchen. Wie auch immer, das Sarek-Fieber hat mich erfasst. Ich werde bestimmt wieder kommen!

Ein flacher Stein ist horizontal gespalten. Der Spalt wurde mit kleinen Steinen gefüllt, die wie Zähne aussehen und oben auf der oberen Hälfte liegen 2 Steine als Augen. Es sieht wie ein grinsendes Gesicht aus. Dahinter die Weite des Sarek Nationalparks.
Selbst die Steine haben hier ein Grinsen im Gesicht

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