Der Pieljekaise Nationalpark liegt etwas unterhalb des Polarkreises in Schweden. Einzigartige Birkenurwälder, weite Fjälllandschaft und ein leicht zu besteigender Aussichtsberg, der dem Nationalpark den Namen gab, sind einige der Highlights des Parks. Es ist erstaunlich, dass dieses schon so lange bestehende Schutzgebiet bei Touristen so wenig bekannt ist. Vielleicht liegt es daran, dass es nicht in der Nähe der vielbefahrenen Europastraßen Richtung Nordkap liegt. Gerade im Herbst entfaltet sich hier jedoch ein Farbschauspiel, dessen Faszination man sich kaum entziehen kann.

Mitten in Lappland: Der Pieljekaise Nationalpark

Die großen Nationalparks in Laponia liegen hinter mir. Ich überquere den Polarkreis endlich wieder Richtung Süden. Damit hoffe ich langsam wieder auf die sichere Seite zu kommen. Wettertechnisch und vor allem auch schneetechnisch, denn die mittlerweile sehr abgefahrenen Sommerreifen würden mich hier wohl erst einmal festnageln, sollte es richtig schneien. Nachtfröste werden mittlerweile zu Tagesordnung und den ersten Schnee habe ich ja schon im Padjelanta erlebt.

Keine Frage, der Pieljekaise Nationalpark liegt noch nicht wirklich südlich. Er befindet sich mitten in Lappland, zumindest wenn man die Kultur und Sprache der Samen für die sehr unterschiedlich gezogene Grenze zugrunde legt. Durch die Bergketten hin zu den letzten Nationalparks Sarek und Padjelanta und in Richtung Norwegen habe ich Glück, dass hier noch wirklich gutes Wetter herrscht.

Ein schmaler Weg führt führt durch lichten, herbstlich gefärbten Birkenwald bergab. Der Blick geht aus Richtung des Pieljekaise Nationalpark hin in Richtung der Berge des Sarek, die am Horizont zu sehen sind.
Birkenwald auf dem Weg in den Pieljekaise Nationalpark

Aber auch hier soll das nicht mehr lange anhalten. Ich habe den Plan einer mehrtägigen Rundtour deswegen bereits verworfen. Als ich am Abend den kleinen Parkplatz direkt an dem Örtchen Jäckvik erreiche, bleibt mir nicht viel Zeit, um mir im letzten Tageslicht ein Bild vor Ort zu machen. Der Parkplatz ist nicht so gut geeignet, um über Nacht zu stehen. Man liegt direkt auf dem Präsentierteller der letzten Häuser vom Ort. Nicht schön für einen selber und für die Anwohner auch alles andere als glücklich. Trotzdem bin ich nicht alleine und für mich ist es einfach schon zu spät, nach einer besseren Alternative zu suchen.

Kungsleden oder Gipfel des Pieljekaise?

Zwei Wege führen in Nord- Südrichtung durch den Pieljekaise Nationalpark. Um diese beiden Wege zu einer Rundtour zu verbinden, müsste man sehr viele Kilometer außerhalb des Parks zurücklegen. Für eine solche Unternehmung sollte man mindestens drei Tage einplanen. Man kann die wesentliche Vegetationsformen und den Gipfel des Pieljekaise aber auch an einem Tag erwandern und am gleichen Tag wieder zurück am Ausgangsort sein. Dazu wählt man den östlicheren der beiden Wege. Die meisten wählen hingegen den westlichen Weg, der ein Teilstück des bekannten Kungsleden ist. Diese Unterscheidung ist durchaus relevant, denn der östlichere Weg ist somit nicht nur seltener begangen, sondern auch weniger gepflegt.

Im Inneren einer Rasthütte kurz vor dem Pieljekaise Nationalpark. Zu sehen sind Tische und Bänke, ein alter Ofen und ein Küchenzeile.
Rasthütte kurz vor dem Park

Früh am Morgen mache ich mich auf den Weg, um die ersten Kilometer bis zur Nationalparkgrenze schnell hinter mich zu bringen. Aber das ist gar nicht so einfach, denn auch wenn dieser Birkenwald nicht die herausragende Bedeutung hat, wie die Urwälder innerhalb des Nationalparks, so begeistern mich bereits diese Abschnitte. Als es flacher wird, stoße ich auf eine Rasthütte, die perfekt mit Sitzmöglichkeiten und einer Küche eingerichtet ist und die man kostenlos benutzten darf. Sie ist aber ausdrücklich nicht für Übernachtungen gedacht! Zur Sicherheit trage mich in das Hüttenbuch ein, wo ich vermerke, dass ich auf den Pieljekaise will. Mir ist nicht klar, wie anstrengend oder auch gefährlich diese Besteigung ist, da ich auf Karten keine Wege zum Gipfel gefunden habe. Aber meine Sorge sollte sich als völlig unbegründet erweisen.

Weite Landschaft

Kurz nach der Hütte öffnet sich der Blick in die Weite: Eine sanfte Hügellandschaft mit einigen Seen, die in der Sonne glitzern. Das Fjäll hat bereits seine Herbstfärbung angenommen. Es ist die intensivste, die ich auf meiner Tour bisher gesehen habe. Ein Feuerwerk der Farben, das mich begeistert! Ich quere einige kleine Bäche und Rinnsale und schon bald weist ein Schild in Richtung des Pieljekaise-Gipfels.

Ein einfaches Holzschild an einem Stecken weist in Richtung des Gipfels des Pieljekaise. Ein Karrenweg zieht sich in Richtung Gipfel, der als kleine Erhebung am Horizont zu sehen ist.
Karrenweg und Gipfel des Pieljekaise

Pieljekaise, zu Deutsch „Ohrenspitzen“. Je nach Richtung, aus der man den Berg betrachtet, sehen die beiden Gipfel wie zwei Ohrenspitzen aus. Der höhere von beiden ist 1138 Meter hoch. Dem Schild folgt ein Weg, der auf keiner Karte verzeichnet ist. Zu Anfang ist es sogar ein Karrenweg, der wohl hin und wieder von Geländefahrzeugen befahren wird. Vermutlich von den Sami, deren Rentiere hier ihre Weide finden.

Auf dem Gipfel

Je höher ist steige, umso schärfer wird der eiskalte Wind. Kurz unterhalb des Gipfels ist kein Pfad mehr zu erkennen, aber jeder kann sich unschwer seinen eigenen Weg zum Gipfel suchen. Das Gelände ist nicht steil und stellt keine großen Anforderungen. Aber ich muss schon aufpassen, dass mich die Windböen nicht aus dem Gleichgewicht bringen.

Steinmännchen und grandioser Blick vom Gipfel des Pieljekaise auf die Fjälllandschaft und die Seen, Moore und Birkenwälder des Pieljekaise Nationalparks.
Blick vom Pieljekaise auf den Nationalpark

Die Aussicht vom Gipfel ist fantastisch, auch wenn das Licht am späten Vormittag nicht mehr so ideal ist. Der Nationalpark liegt zu meinen Füßen und man kann das Gelände sehr gut übersehen: Die weite Fjälllandschaft mit ihren Seen und die Täler mit den einzigartigen Birkenurwäldern und ausgedehnten Mooren. Im Windschatten eines großen Felsens mache ich vorgezogene Mittagsrast und analysiere das Gelände.

Eine Fjällwanderung

Schnell steht der Plan, nicht den gleichen Weg zurück zum markierten Pfad zu nehmen, sondern ich will meine Fähigkeiten weiter schulen, mich quer durch das Fjäll zu bewegen. Die Vegetation gibt Aufschluss darüber, wo mit Moor zu rechnen ist, das man umgehen sollte. Die Geröllfelder der letzten Eiszeit gestalten sich ganz unterschiedlich. Bestehen sie aus eher kleinen Steinen, hat sich Humus gesammelt und sie haben eine Krautschicht ausgebildet, die leicht zu begehen ist.

Sonnenstrahlen durchdringen die Wolken und hüllen die Landschaft des Pieljekaise Nationalparks in ein dramatisches Licht. Mehrere Bergketten staffeln sich hintereinander.
Ständig wechselnde Lichtstimmungen

Ich komme gut voran. Das offene Gelände ist leicht zu lesen und selbst für Anfänger geeignet, die sich zum ersten Mal abseits der Wege probieren wollen. Bald erreiche ich wieder den Weg und schwenke Richtung Süden ein. Ich will heute auf jeden Fall noch runter in die Birkenurwälder und bald schon tauche ich ein, in eine andere Welt. Oben am Rande des Tals stehen die Birken noch licht. Ich finde, so kommen sie am besten zur Geltung. Je weiter ich dem Weg nach unten folge, umso dichter wird der Wald. Der Weg wird immer schlechter. Hin und wieder muss ich aufpassen, dass ich ihn nicht verliere. Vermutlich ist die Variante auf dem Kungsleden besser instand gehalten, bin ich mir sicher. Aber die Erfahrung ist nicht neu für mich und bald erreiche ich den ersten kleinen Moorsee. Es ist wunderschön hier. Langsam nehmen auch die Wolken zu und die Lichtstimmung wird richtig dramatisch. Phantastisch!

Ein Moorsee inmitten Birkenwäldern im Pieljekaise Nationalpark. Der Himmel ist voll dramatischer Wolken.
Typischer Moorsee im Tal

Die Birkenwälder im Pieljekaise Nationalpark

Noch habe ich etwas Zeit und gehe weiter bis zum nächsten See, der einiges größer ist. Teilweise muss ich über Bohlen durchs Moor und diese sind in einem wirklich schlechten Zustand. Gerne würde ich versuchen, wie weit man auf diesem Weg kommt. Ist ein durchkommen überhaupt noch möglich? Ich weiß es nicht und kann es heute leider auch nicht in Erfahrung bringen, denn inzwischen sollte ich mich auf den Rückweg machen, um noch im Tageslicht zurück zum Auto zu kommen.

Kaum noch zu erkennender Bohlenweg durch typische Moorlandschaft im Pieljekaise Nationalpark. Die Herbstfärbung und dramatische Wolken erzeugen eine ganz eigene Stimmung.
Der Bohlenweg ist teilweise kaum noch zu sehen

Obwohl ich bereits auf dem Hinweg jede Menge Bilder gemacht habe, halte ich immer wieder an, weil ich mich an der Landschaft einfach nicht satt sehen kann. Als ich aus einer kleinen Senke herauskomme, scheuche ich ein paar scheue Ren auf. Eine Weile beobachte ich sie an einem Hang, bevor sie die nächste Kuppe überschreiten und ich sie nicht mehr sehen kann. Dank der Abendsonne wird die Struktur der Landschaft immer besser sichtbar. Der Blick schweift zu den weit entfernten Bergen am Horizont, die vermutlich zum Sarek Nationalpark gehören.

Ein schmaler Weg führt durch das herbstliche Fjäll. Der Weg verliert sich in der niedrigen Vegetation. Im Hintergrund sind die Berge Richtung Sarek zu sehen.
Blick Richtung Sarek

Als ich die Parkgrenze wieder erreiche, möchte ich gar nicht ins Tal absteigen. Ich kann mich einfach nicht losreißen. Die Herbstfarben leuchten kräftig im Abendlicht. Ich bin völlig alleine hier oben. Den ganzen Tag ist mir niemand begegnet! Als ich dann doch bei einbrechender Dämmerung den letzten Abschnitt in Angriff nehme, frage ich mich, warum der Pieljekaise Nationalpark so wenig Beachtung bekommt. Die Wege könnten sicher besser sein, aber das hindert andere Nationalparks ja auch nicht daran, weitaus bekannter und besser besucht zu sein.

Für mich gehört der Pieljekaise mit seinem einfach zu erreichenden Gipfel, der genialen Fjälllandschaft, den Birkenurwäldern und Mooren und der Abgeschiedenheit jenseits des Massentourismus jedenfalls zu den Highlights meiner Tour durch die Nationalparks in Schweden!

Übersicht Nationalparks Schweden

mein Blog

offizielle Seite der Nationalparkbehörde