Der Muddus gehört zu den vier Nationalparks im Weltkultur- und Weltnaturerbe Laponia, das große Teile von schwedisch Lappland umfasst. Dabei ist der Muddus Nationalpark der kleinste von ihnen und der am besten erschlossene. Landschaftlich unterscheiden sich alle diese Nationalparks voneinander und der Muddus ist vor allem für seine Schluchten und Wasserfälle bekannt, die sich aus einem riesigen Gebiet langgestreckter Moore speisen.

Organisatorische Herausforderungen

Wieder einmal stehe ich vor echten Herausforderungen. Der Herbst hält langsam Einzug in Lappland und mir bleiben keine 4 Wochen mehr für 9 Nationalparks. Gerechnet an meiner bisherigen Geschwindigkeit eigentlich viel Zeit aber jetzt stehen erst einmal die riesigen Nationalparks in Laponia an. Laponia ist Weltkultur- und Weltnaturerbe zugleich und umfasst neben den Nationalparks Stora Sjöfallet, Sarek, Padjelanta und Muddus auch noch mehrere Naturreservate. Mit Ausnahme des Muddus sind die anderen Gebiete wenig bis gar nicht erschlossen. Wie soll ich das organisatorisch bewerkstelligen, diese Parks in so kurzer Zeit zu besuchen, aussagekräftige Bilder zu machen und die notwendigen Informationen zu sammeln, die dem Anspruch eines Reiseführers gerecht werden? Zudem scheint sich, nachdem ich wettertechnisch bisher unglaubliches Glück hatte, das Blatt langsam zu wenden. Bereits in den letzten 2 Parks lief es schon nicht mehr ganz so gut.

Entscheidung: Muddus Nationalpark

Mir ist klar, dass ich hier Kompromisse werde machen müssen. Vor allem aber werde ich akribisch jeden Park planen müssen und dennoch flexibel auf das Wetter und die sich mir bietende Chancen reagieren müssen.

Es regnet den ganzen Tag. In Jokkmokk gehe ich ins Touristenbüro, ein kleines Zimmerchen in der Stadtverwaltung. Dort gibt man sich wirklich viel Mühe mir zu helfen, druckt mir Wetterberichte aus und empfiehlt die besten Wetterdienste für die Gegend. Die Prognosen sind sich bei allen Wetterdiensten einig: Für morgen kommt eigentlich nur der Muddus Nationalpark in Frage (Laponia ist so groß, dass zwischen den Nationalparks völlig unterschiedliche Wetterbedingungen herrschen können).

Das ist mir ganz recht, denn dadurch kann ich die Problemlösungen erst einmal aufschieben, da der Muddus der kleinste und mit Abstand am besten erschlossene Nationalpark von den vieren ist. Und so fahren ich am Abend das kleine Schottersträßchen zum Parkeingang Skájdde.

Umgestürzte Bäume verrotten nur langsam im Muddus Nationalpark. Auf den alten Stämmen, die zwischen herbstlich gefärbten Blaubeersträuchern liegen, hat sich eine silberne Patina gebildet.
Totholz bleibt liegen und die Stämme brauchen oft Jahrhunderte zum Verrotten

Parkeingang Skájdde

Erneut bin ich erstaunt, dass ein Parkplatz am Ende einer ruppigen Schotterstrecke so gut besucht ist. Einige kleinere Busse, Kastenwägen und Wohnmobile und eine Reihe von Autos stehen dort. Die Nacht ist trotzdem ruhig und am Morgen kann ich mir mehr Zeit als gewöhnlich lassen, weil das Wetter erst im Laufe des Vormittags besser werden soll. Ein älteres Ehepaar, das in einem kleinen Kombi geschlafen hat macht sich mit mir auf den Weg. Sie sind schon jenseits der achtzig und wir plaudern ein wenig, bevor ich dann doch das Tempo etwas anziehen muss. Ich habe mir eine über 30 km lange Runde vorgenommen, die fast den gesamten Südteil des Muddus erschließt. Um das zu schaffen, habe ich mich heute ausrüstungstechnisch eingeschränkt, denn die Fotoausrüstung mit dem Rucksack wiegt alleine schon 10 kg. Ich kalkuliere mit nur einem Liter Wasser, da ich mehrfach über Bäche kommen werde. Später werde ich diese Entscheidung bitter bereuen!

Borealer Nadelwald und Wasserfälle

Zunächst aber bin ich wieder einmal von dem Wald fasziniert. Zwischen uralten Kiefern liegen mächtige Stämme. Das mit einer silbernen Patina überzogene Totholz, das hier im hohen Norden aufgrund des Harzgehaltes und der Witterungsbedingungen hunderte von Jahren zum Verwesen braucht, macht einen wichtigen Teil meiner Faszination für die nordischen Wälder aus.

Der Muddusfall (Muddusagahtjaldak) im Muddus Nationalpark stürzt zwischen hohen, kiefernbewachsenen Felsen in ein natürlches Becken im Flusslauf des Muttosädno.
Muddusfall (Muddusagahtjaldak)

Bis zum Muddusfall brauche ich dann doch über zweieinhalb Stunden, da ich immer wieder versuche, den Wald in Bilder zu fassen, was mir aber nicht befriedigend gelingen will. Die Sonne ist schneller herausgekommen als gedacht und die Kontraste sind mittlerweile auch zu groß. Eine halbe Stunde warte ich am Muddusfall (schwedisch: Muddusagahtjaldak) in der Hoffnung auf etwas diffuseres Licht, dann muss ich weiter.

Trinkwassermangel

Zunächst schaue ich mir aber noch die Hütte am Weg an. Schön liegt sie dort im Wald und die obligatorische Grillstelle fehlt natürlich auch nicht. Ein Schild weist auf eine Trinkwasserstelle hin und nach ein bisschen Suchen habe ich sie auch gefunden. Ein Betonschacht mit Deckel. Ich traue der Sache nicht. Muss man das Wasser filtern oder abkochen? Ich möchte nichts riskieren und schon bald werde ich den Muttosädno überqueren. Also weiter …

Eine Rast- und Übernachtungshütte im Muddus Nationalpark. Davor eine Feuerstelle mit Bänken. Wegweiser deuten auf ein großes Netz aus Wanderwegen in dem Nationalpark.
Eine von mehreren Rast- und Übernachtungshütten im Muddus Nationalpark

Als ich die Brücke erreiche, schaue ich überrascht auf das braune Wasser des Flusses. Damit habe ich nicht gerechnet! Aber eigentlich ist es doch logisch, dass Wasser, welches sich aus den Mooren des Muddus speist nicht klar ist. Ich habe weder den Wasserfilter dabei (der gut verstaut im Auto liegt und den ich einfach vergessen habe einzustecken), noch irgendwelche Möglichkeiten, das Wasser abzukochen. Mittlerweile ist es wirklich warm und meine Flasche fast leer. Es kann nur eine Entscheidung geben: zurück! Ich bin wahnsinnig frustriert und ärgere mich wieder einmal über mich selbst.

Flexible Tourenplanung

Die langen, kräftezehrenden Tage und der Schlafmangel der letzten Wochen forcieren zunehmend Fehler bei mir. Dazu kommen Schmerzen in beiden Füßen, die sich seit zwei Wochen zunehmend aufgebaut haben und die ich nicht in den Griff bekomme. Mittlerweile tun die Fersen bereits beim Start jeder Tour weh und beherrschen bald meine Gedanken. Damit, dass die Schmerzen heute früher enden werden, tröste ich mich über meinen Fehler hinweg und laufe zurück zum Auto. Während ich Wetterberichte und Karten studiere, überlege ich mir, ob ich noch ein Stück in die entgegengesetzte Richtung meiner geplanten Tour losziehen soll, entschließe mich aber für eine andere Variante: Ganz in der Nähe der E45 liegt der Oarjemus Stubbá, ein Berg, der eine Aussicht über die weiten Moore und Wälder des Muddus bieten soll. Bei meinen Recherchen im Vorfeld hatte ich die Tour nicht als besonders interessant eingestuft und der Parkflyer erwähnt ihn zwar, beinhaltet jedoch nur ein wenig aussagekräftiges Bild. Mir scheint diese Tour jetzt auf einmal doch als die verlockendste Variante und ich fahre die Schotterpiste zurück auf die E45.

Schönste Aussicht des Muddus Nationalparks: Oarjemus Stubbá

Aussicht vom Oarjemus Stubbá auf die Wald und Moorflächen des Muddus Nationalpark
Grandiose Aussicht vom Oarjemus Stubbá

So ganz klar ist nicht, wo der kurze Anstieg starten soll. Im Nachhinein ist die Beschreibung jedoch recht einfach: Man folgt der E45 nach Norden, bis ca. 16 km nach Porjus rechts eine Schotterstraße abzweigt. Dieser folgt man nur kurz, bis der Wanderweg zum Ziel rechts in den Wald führt. Der Gipfelbereich darf von März bis Juli aber nicht betreten werden. Kein Problem für mich, denn es ist ja schon Ende August. Ich folge dem Pfad und die Sonne, die erneut herauskommt hüllt den borealen Nadelwald in ein tolles Abendlicht. Ich kann mein Glück kaum fassen, als ich nach nicht einmal 20 Minuten oben auf dem Gipfel stehe und der Muddus Nationalpark bei einem fantastischen Sonnenuntergang zu meinen Füßen liegt. Aller Ärger ist vergessen und ohne meine verkorkste Tourenplanung heute hätte ich diesen Gipfel vielleicht niemals bestiegen. Eine Aussicht, so wunderschön und dennoch ist sie fast unbekannt. In der Dämmerung mache ich mich innerlich jubelnd zurück zum Auto. So kann es gerne weitergehen im nächsten Nationalpark. Die Entscheidung werde ich morgen treffen, denn zunächst ist wieder schlechtes Wetter angesagt …

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