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Kilometerweit ergießt sich der Dalälven über reißende Stromschnellen. Dann wieder mäandert der Fluß ruhig um unzählige Inseln, die gerade in ihrer scheinbar zufälligen Anordnung eine komplexe Harmonie von geradezu unfassbarer Schönheit bilden, um schließlich in den See des Färnebofjärden Nationalpark zu fließen.

Nachtfahrt zum Nationalpark Färnebofjärden

Es ist fast Mitternacht und ich bin eigentlich viel zu müde, um noch Auto zu fahren. Mehrfach habe ich die Hauptstraße verlassen, um einen Platz für die Nacht zu finden. Irgendwann habe ich aufgegeben und bin froh deswegen. Ich erlebe eine der faszinierendsten Nächte hier in Schweden. Es wird nicht richtig dunkel und in der Dämmerung hat sich Bodennebel gebildet. Ungewöhnlich für die Jahreszeit. Ich fühle mich wie im Fantasyfilm und halte nach dem perfekten Motiv Ausschau, um diesen Moment festzuhalten. Ich finde keines und ich weiß, ich sollte bald schlafen…

Blick auf die Stromschnellen des Dalälven im Färnebofjärden Nationalpark
Stromschnellen bei Nacht

Als ich den Park erreiche, hat sich der Nebel fast verzogen. Ich zwinge mich auf den Brücken über die Stromschnellen des Dalälven wenigstens kurz anzuhalten, um ein Bild zu machen. Ich weiß, der Moment ist vorbei und er wird nicht wieder kommen. Nach den ersten Brücken kommt ein Parkplatz direkt an der Straße. Es ist mir egal. Ich halte, krieche im Auto nach hinten und schlafe sofort ein.

Am Morgen stehe ich früh auf, koche mir einen Kaffee aber er hilft nicht. Ich bin ausgelaugt und komme nicht in die Gänge. Eine Parkrangerin kommt zu mir. Habe ich etwas falsch gemacht? – Nein! Sie spricht mich wegen meinem Kajak an und deutet auf einen Stand nur 100 Meter entfernt, an dem sie jetzt Infomaterial ausgelegt hat. Das Naturum hat wegen Corona schließen müssen und so wollen sie zumindest hier draußen ansprechbar sein. Ich verspreche nachher vorbei zu schauen.

Veilchen, Otter und Moskitos

Nach meinem Kaffee gehe ich gleich rüber. Ich bringe meinen Fragebogen mit und schnell sind wir im Gespräch, als ich über mein Buchprojekt berichte. Was die bedeutendsten Pflanzen und Tiere hier sind, frage ich sie. Die Antwort fällt ihr leicht: Eindeutig das Moorveilchen, das hier seine nördlichste Verbreitung hat, der Otter, der hier die eisfreien Gewässer vorfindet, die er benötigt und – so fügt sie mit einem Schmunzeln hinzu – die Moskitos.

Die blaue Blüte des Moorveilchen
Moorveilchen

Wir sind schon lange im Gespräch, als sie mir erzählt, dass sie auch noch ein privates Unternehmen hat. Man merkt, dass sie ihre Jobs sauber voneinander trennen will und dass ich überhaupt davon erfahre, ist wohl nur meinen beharrlichen Fragen geschuldet. Karin Haulin führt Exkursionen in den Nationalpark und weiß genau, wo die schönsten Ecken zu finden sind. Das merkt man, als sie mir Tourentipps gibt!

Stromschnellen des Dalälven

Mir dämmert langsam, dass ich nur einen Bruchteil des Parks anschauen kann. Gerne würde ich mir Zeit für eine mehrtägige Kajak-Tour nehmen aber so lange kann ich nicht bleiben. Der schönste Teil, der zu Fuß erreichbar ist, lässt sich jedoch in 2 bis 3 Stunden anschauen. Und sogar vom Auto aus lassen sich die spektakulären Stromschnellen des Dalälven bestaunen, wenn man die Straße südlich von Gysinge nimmt.

Von hier aus startet auch die Wanderung in die Auenlandschaft der Überflutungsgebiete, die eine ungeheure Artenvielfalt beherbergen. Allein 60 Insektenarten, die hier vorkommen, stehen auf der Roten Liste. Alle sieben in Schweden vorkommenden Spechtarten wurden in diesem kleinen Gebiet gesichtet. Angesichts solch herausragender Daten ist es verwunderlich, dass der Färnebojfärden erst 1998 zum Nationalpark erklärt wurde.

Wanderung am Dalälven

Natürlich lasse ich mir die kleine Wanderung nicht entgehen. Die Moorveilchen entdecke ich an zwei Stellen in voller Blüte aber wirklich begeistern tut mich die Landschaft. Überschwemmungsland auf der einen, abwechslungsreiche Wälder auf der anderen Seite.

Überschwemmungsland im Färenbofjärden Nationalpark. In der Mitte schimmert noch etwas Wasser durch das dichte Sumpfgras. Die Au wird von einem natürlichen Mischwald gesäumt.
Die Auen der Überflutungsflächen

Als ich wieder am Parkplatz bin, ist es später Nachmittag. Heute will ich noch in den Südteil des Parks aber zuvor mache ich einen Abstecher auf eine wunderschöne Halbinsel, die sich fünf Kilometer südlich von Österfärnebo weit in den See zieht.

Auf den letzten Kilometern komme ich Mal wieder ins Zweifeln, ob ich weiterfahren soll aber Wenden wäre auf dem schmalen Naturweg auch nicht so einfach möglich. So bin ich froh, dass doch noch ein Parkplatz kommt und ich an dem tollen Strandabschnitt verweilen kann. Tatsächlich nutze ich das erste Mal auf meinem Trip einen Grillplatz um mir zwei Rote zu grillen. Während mein Espressokocher vor sich hin zischt, verkrieche ich mich in die Schutzhütte. Von hier aus lässt sich auch der Regen genießen, der eingesetzt hat.

Blick aus einer Schutzhütte auf die Grillstelle davor und den Strand mit See im Färnebofjärden Nationalpark
Schutzhütte und Grillstelle am See

Der Färnebofjärden Nationalpark und die Moskitos

Ich muss eine Entscheidung fällen. Entweder morgen paddeln oder im Süden einen Wald besuchen, der sehr schön sein soll. Im Nachhinein war die Entscheidung für den Wald wohl falsch. Als ich den Südeingangs Öberget am späten Abend erreiche, gibt es auch hier einen Grillplatz mit Schutzhütte aber was ich außerhalb vom Auto erlebe, toppt moskitomäßig alles Bisherige.

Ich erinnere mich an die Worte von Karin und nun begreife ich sie auch. Als ich in der Nacht kurz raus muss, hüpfe ich beim Pinkeln, um mit „nur“ 20 Stichen wieder ins Auto zu springen. Die wenigen Sekunden der Türöffnung haben zudem 20 weitere Blutsauger genutzt, um mir Gesellschaft zu leisten.

Enttäuschung am Öberget

Am Morgen möchte ich das Auto gar nicht verlassen. Aber wenn ich mir etwas vorgenommen habe… Also schmiere ich mich von oben bis unten ein, bevor ich los laufe. Die Moskitos sind überall und suchen selbst auf den Augenlidern Landeplätze, weil ich die wohl nicht mit Chemie bedacht habe. Solange ich in Bewegung bleibe, geht das alles aber ich bin eben auch zum Fotografieren hier und da lässt es sich nicht vermeiden, hin und wieder stehen zu bleiben.

Protrait von Tim Trabandt mit Moskitonetz
Manchmal hilft nur noch ein Moskitonetz

Aber eigentlich bin ich enttäuscht von dem Wald. Zunächst laufe ich durch forstwirtschaftliche Monokulturen und auch später sehe ich nur wenige Abschnitte schönen Waldes. Mag sein, dass dieser an einem der Stichwege zu finden ist aber mir ist die Lust vergangen und ich drehe nach 5 Kilometern um. Wäre ich nur ins Kanu gestiegen! Jetzt regnet es und so nehme ich mir das für meinen nächsten Besuch im Färnebofjärden Nationalpark vor, als ich mich ein wenig frustriert zum nächsten Nationalpark aufmache.

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