Traumhafte Sandstrände auf der entlegensten Insel der Ostsee, uriger Kiefernwald und historische Gebäude entlohnen den Besucher für die aufwändige Anfahrt in den Gotska Sandön Nationalpark.

Ich habe mich lange gefragt, ob ein Blogbeitrag nach so langer Zeit überhaupt noch geschrieben werden sollte. Aber die Erlebnisse auf der Fahrt zum Nationalparks und auf Gotska Sandön waren so abenteuerlich, dass ich mich entschieden habe, es doch zu tun, obwohl die Ereignisse völlig aus der Zeit gefallen scheinen.

Schwierigkeiten durch Corona

Drei Jahre liegt es nun zurück und es war mitten in der Corona-Pandemie. Jeglicher Schiffsverkehr zu der Insel war eingestellt worden. So hatte ich die Tour auch mehrfach verschoben in der Hoffnung, die Passage würde wieder geöffnet. Parallel hatte ich nach Alternativen gesucht. Nur dieser eine Park fehlte mir noch. Ohne ihn drohte auf der letzten Etappe mein komplettes Projekt zu scheitern.

Von allen Alternativen mit den Versorgungsbooten der Nationalpark-Ranger, über verschiedene Motorbootbesitzer und Segler war nur noch Börje übrig geblieben. Ein erfahrener Hochsee-Regatta-Segler mit einem Trimaran. Mehrfach hatten wir die Tour wegen schlechtem Wetter verschieben müssen. Nun Mitte September blieben mir nur noch drei Tage vor meiner Heimreise und das Wetter war wieder schlecht!

2 Segler auf einem Trimaran
Noch ahne ich nicht was mir bevorsteht

Verzweifelt redete ich am Telefon auf Börje ein, bis er schließlich einwilligte, es am nächsten Tag doch zu versuchen. Er sah ein kleines Zeitfenster, eventuell müssten wir am selben Tag zurück. Bang verbrachte ich die Nacht im Auto am Jachthafen, wo mir Börje einen Parkplatz verschafft hatte. Der Wind rüttelte am Auto und ließ meine Hoffnung schwinden. Zu oft hatte ich nun erlebt, was schon viel weniger Wind im Hafen draußen auf See bedeutete.

Das Abenteuer Gotska Sandön beginnt

Mit ernstem Gesicht holt mich Börje am Morgen wie versprochen ab. Er will es versuchen. Zur Verstärkung hat er Daniel angeheuert, einen erfahrenen Segler, denn bei diesen Bedingungen braucht er draußen jemanden, auf den er sich verlassen kann.

Börje war einmal bei einer großen Regatta in Führung liegend spektakulär gekentert, was seinerzeit groß durch die schwedische Presse ging. Hier geht es nicht um den Sieg, sondern darum einen deutschen Journalisten sicher nach Gotska Sandön und zurück zu bringen.

Glänzende Kieselsteine am Strand in der Sonne von Gotska Sandön
Die Kiesel glänzen in der Sonne

Ich merke Börje seine Erfahrung an und seine ruhige Art vermittelt mir schnell eine beruhigende Sicherheit. Dennoch ist die Überfahrt für mich extrem hart. Schnell ist meine ungeeignete Outdoor-Bekleidung völlig durchnässt und ich zittere am ganzen Leib. Ich muss unter Deck. Börje will mich zunächst gar nicht hinunterlassen, aus Angst ich könnte mich dort übergeben. Schnell sieht er jedoch ein, dass es so nicht geht. Aus der Kajüte versuche ich den Horizont zu fixieren, um mich nicht in den kleinen Eimer, den ich zwischen meine Beine geklemmt habe, zu erbrechen. Aber die Wellen sind so hoch, dass der Horizont immer wieder hinter ihnen verschwindet.

Quälende Überfahrt

In der harten Carbon-Rennjacht ist es nicht wärmer, aber wenigstens bin ich dem Wind nicht ausgesetzt. Hart klatscht das Boot im rechten Winkel in jede neue steile Welle. Mir ist nur noch elend und die Stunden werden zur Tortour. Aber die Vorstellung, dass wir vielleicht nicht ankern können und auf direktem Weg wieder zurück müssen, macht mir genauso zu schaffen. Es gibt auf Gotska Sandön keinen Hafen, nicht einmal eine geschützte Bucht und mir ist überhaupt nicht klar, wie Börje bei diesen Bedingungen dort Ankern will.

Dramatische Wolken bei Bredsandsudde an der Nordspitze der Nationalparkinsel Gotska Sandön
Dramatische Wolken bei Bredsandsudde

Völlig überrascht bin ich dann, als im Windschatten der Insel kaum Wellen herrschen. Der kiellose Trimaran ist hier von Vorteil, weil er so nahe ans Ufer kann. Zusammen mit Daniel vertäut Börje die Rennjacht zusätzlich ans Ufer.

Die Beiden schauen mich fassungslos an, als ich in meinem Zustand sofort an Land will. Dramatische Wolken und Sonne wechseln einander ab und ich will die Chance unbedingt nutzen, bevor die Sonne untergeht. Mit dem kleinen Dingi, das wohl nur für eine Person gedacht ist, bringt Börje mich an Land. Nun ist auch meine Reservekleidung nass.

Ein Abend im Nationalpark

Kaum an Land renne ich los, den Strand entlang Richtung Bredsandsudde an der Nordspitze der Nationalpark-Insel. Das Licht ist phantastisch! Aber Börje hat darauf gedungen, dass ich auf dem Boot übernachten sollte, damit man jederzeit losfahren könne. Würde der Wind nur um wenige Grad drehen, könnten wir nicht mehr bleiben. Also bleibe ich nicht dort bis die Sonne hinterm Horizont verschwindet, sondern renne im Sonnenuntergang zurück.

Auf halbem Weg stehen auf einmal Parkranger am Strand. Mir bleibt wenig Zeit, um ihnen zu erklären, dass ich schnell zum Boot zurück muss, aber ich stellte in Aussicht, dass ich vielleicht morgen bei Ihnen vorbeischauen würde. Eine viertel Stunde später erreiche ich das Boot und Börje holt mich mit dem Dingi wieder vom Strand ab. Diesmal bin ich so schlau, die inzwischen getrockneten Kleider zur Fotoausrüstung in den wasserdichten Packsack zu stecken, so dass nur meine Unterhose nass wird.

Die Parkranger von Gotska Sandön

Die Nacht gestaltet sich unangenehm, irgendwie ist auch mein Schlafsack nass geworden. Am Morgen bin ich jedoch wieder voller Tatendrang. Der Gotska Sandön Nationalpark ist zu groß, um ihn an einem Tag zu erkunden, aber Börje besteht darauf, am Abend vor Sonnenuntergang die Insel zu verlassen. Ich habe also einen anstrengenden Tag vor mir, um das beste daraus zu machen. Kaum bin ich an Land und über die erste Sanddüne, begegnen mir wieder die Ranger in ihrem Geländewagen. Ich frage, ob sie mich ein Stück mitnehmen würden, was sie verneinen. Die Begegnung ist komisch, aber ich versuche das fürs erste auszublenden und mich auf meine Arbeit zu konzentrieren.

Lichter Kiefernurwald an einem Hang im Gotska Sandön Nationalpark
Herrlicher Kiefern-Urwald

Daniel, der kurze Zeit später an Land geht, um sich die alte Kapelle anzuschauen, in der er seit seiner Konfirmation hier nicht mehr war, wird mir später berichten, dass er mitbekommen hat, wie die Ranger gerade die Küstenwache informierten. Ihnen ist in Pandemiezeiten wohl jeder Besuch suspekt, speziell bei solchen Bedingungen auf See.

Ausstellung in Leuchtturm mit historischen Geräten
Ausstellung im Leuchtturm

Interessante Ausstellungen

Ahnungslos spule ich währenddessen mein Programm ab. Zunächst renne ich wieder den Strand nach Bredsandsudde und bin überglücklich, meinen Verlaufsfilter samt Halterung, halb von den Wellen im Sand vergraben, wiederzufinden, den ich am Vortag beim Rennen verloren habe. So biege ich auch gleich ins Innere des Nationalparks ab, um durch den wunderbaren Kniefernurwald den Leuchtturm von Gotska Sandön zu erreichen. Die Tür ist offen und ich bestaunte die alte Technik und historischen Pläne, die hier ausgestellt sind.

Im Innern der Nationalpark-Ausstellung im Naturum auf Gotska Sandön
Im Naturum mit der Karte der Wracks

Weiter geht es zum Zentrum mit den Ranger-Gebäuden und dem Naturum. Auch diese Ausstellung ist wirklich interessant. Unter anderem gibt es eine Karte, auf der die über 60 Wracks verzeichnet sind, die rund um die Insel des Gotska Sandön Nationalparks gesunken sind. Aktiv suchen will ich die Ranger nach unserer Begegnung am Morgen nicht mehr. Also marschiere ich durchs Landesinnere auf einem sandigen Track, der auch zum Radfahren freigegeben ist, nach Gamla Gården. Einen Abstecher genehmige ich mir, um dem Höhenzug des Höga Åsen ein paar Kilometer zu folgen. Hier gibt es tatsächlich noch Bereiche, in der nie Holz geschlagen wurde.

Verhör der Küstenwache

Mich beeindrucken diese unberührten nordischen Wälder mit ihren knorrigen Kiefern immer wieder aufs Neue. Aber um rechtzeitig am Boot zu sein, darf ich nicht trödeln! So erreiche ich die historischen Gebäude von Gamla Gården am frühen Nachmittag. Verstreut auf weitläufigen Wiesen laden diese geradezu zum Rasten ein.

Ein historisches Gebäude von Gamla Gården auf der Insel Gotska Sandön
Die Wiesen bei Gamla Gården laden zum Rasten ein

Meine Rast ist jedoch nicht geplant, sondern wird mir völlig unvermittelt aufgezwungen. Mit einem Mal erscheint wieder der Geländewagen der Ranger und es steigen Uniformierte aus, die quer über die Wiesen direkt auf mich zulaufen. Was geschieht hier? Was habe ich gemacht? Die suchen mich!

Mir rutscht das Herz in die Hose, obwohl ich keine Ahnung habe, was ich möglicherweise verbrochen haben könnte. Die zwei Männer der Küstenwache nehmen mich auch gleich in die Mangel, wollen alles mögliche von mir wissen. Nach einiger Zeit jedoch merke ich, wie das berufliche „Verhör“ privater Neugierde weicht. Wie ich später von Börje und Daniel erfahre, waren sie zunächst befragt worden und die Geschichten scheinen sich zu decken.

Abschied vom Gotska Sandön Nationalpark

Schließlich darf ich gehen und es wird auch höchste Zeit, zum Boot zu kommen. Während ich am Strand die nassen, bunten Kieselsteine bestaune, komme ich zu dem Landungspunkt, an dem die Ranger das Schlauchboot der Küstenwache auf einem Gestell gerade mit einem Traktor wieder zurück ins Meer schieben. Ohne dieses könnten Sie mit Ihrem Patrouillenschiff gar nicht anlanden. Was für ein Aufwand für mich!

Ein Traktor schiebt mit einem Gestell ein Schlauchboot ins Wasser
Welch ein Aufwand nur für mich 😉

Mein Rückweg geht nun doch schneller, als gedacht und ich bin fast zwei Stunden vor Sonnenuntergang zurück am Boot. Kaum an Bord lichtet Börje die Anker und wir verlassen den Gotska Sandön Nationalpark. Es ist fast windstill und die Wellen haben sich innerhalb nur eines Tages gelegt. Nun brauchen wir tatsächlich den Motor, um im Mondschein zurück nach Nynäshamn zu gelangen. Um Mitternacht sind wir zurück, Daniel hat Geburtstag.

Was für ein Abenteuer, was für Gegensätze, was für unvergessliche Eindrücke! Der 30. und damit letzte Natioalparks ist geschafft. In die große Erleichterung mischt sich auch ein wenig Wehmut. Jetzt ist alles ruhig, aber in ein paar Stunden braut sich schon wieder neues Ungemach auf der Ostsee und über dem Gotska Sandön Nationalpark zusammen. Ob sich dann neue Abenteurer auf den Weg machen werden? Wohl kaum!

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