Im Feierabendverkehr quäle ich mich über die Stadtautobahn von Stockholm. Nur noch wenige km in den Tyresta Nationalpark, sagt das Navi. Ich kann mir kaum vorstellen, das hier gleich irgendwo Natur anfangen soll.
Direkt bei Stockholm – Tyresta Nationalpark
Ich fahre durch ein Wohngebiet und unvermittelt stehe ich am Parkeingang. Der riesige Parkplatz ist fast leer. Es ist später Nachmittag und ich schlendere zum Naturum. Es hat schon zu. Nach einem kurzen Blick auf die Karte entschließe ich mich noch ein wenig in den Park zu wandern. Kurz hinter dem Naturum kommen einige historische Gebäude mit einem Gehöft, von dem aus ein Teil des Parks mit traditionellen Methoden bewirtschaftet wird. Im Innenhof hat man ein schönes Café integriert und ein Nebengebäude wurde zur Jugendherberge umfunktioniert.
Abend am See Bylsjön
Das Café hat eh schon geschlossen und so wähle ich die etwas weitere Hällmarkslingan Runde zum Bylsjön See. Durch alte Kulturlandschaft und an einer Pferdekoppel vorbei gelange ich in den Wald, durch den sich der Pfad windet. Die kleine Karte im Nationalpark-Flyer ist nicht wirklich hilfreich und so verlaufe ich mich einmal, bevor ich doch das Smartphone zur Orientierung heraushole. Aber in diesem schönen Wald ist eh der Weg das Ziel und so erreiche ich den See einfach etwas später. Leider auch so spät, dass der größte Teil schon im Schatten liegt. Ein paar Ausflügler genießen die letzten Sonnenstrahlen auf einem Felsen, sie haben wohl im See gebadet. Leider habe ich meine Badesachen nicht eingepackt. In der Dämmerung geht es zurück zum Parkplatz, wo ich eine ruhige Nacht verbringe. So ruhig, dass ich den Sonnenaufgang total verschlafe.
Lagerplatz am Arsjön
Ich lasse mir heute Zeit, will nur rechtzeitig zurück sein, um noch ins Naturum zu kommen. Diesmal nehme ich den direkten Weg zum Bylsjön, wandere dann aber weiter zum nächsten See, dem Arsjön. Der See ist wunderschön. Im Kiefernwald direkt am Ufer liegt ein Lagerplatz mit Windschutzhütte und Grillstelle. Schöner kann man nicht übernachten, denke ich mir. Von den Gletscherströmen der Eiszeit geschliffene Granitplatten laufen in den See und ermöglichen einen guten Einstieg zum Baden. Ich lasse die Beine im See baumeln und genieße den Augenblick. Die Sehnsucht, Natur zu erleben wird hier perfekt erfüllt. Einzig der Wunsch das Naturum zu besuchen, lässt mich schließlich den Rückweg antreten.
Naturum Tyresta
Am Naturum habe ich noch gut eine halbe Stunde Zeit und die brauche ich auf jeden Fall. Vielfältige Informationen wurden hier hervorragend aufbereitet. Auch über die weiteren Parks, die ich noch besuchen will. Als ich dem Parkranger erzähle, dass ich ein Buch über die Nationalparks schreiben will, entwickelt sich ein nettes Gespräch. Ich frage, auf was ich aufmerksam machen könnte und wo die Herausforderungen bei einem so großstadtnahen Park liegen. Illegale Feuer führen immer mal wieder zu Bränden und sind ein großes Problem, erzählt er mir. Die offiziellen Feuerstellen sind besser gesichert und Waldbrände werden dort im Zweifelsfall auch schneller entdeckt. Gerade läuft ein Pilotprojekt mit ehrenamtlichen Helfern. Dabei sollen Drohnen mit Infrarotkameras zum Einsatz kommen.
Eine unvergessliche Nacht
Als ich mich vom Ranger verabschiede bin ich rundum zufrieden mit dem Tag. Heute lohnt es nicht mehr, weiter zu fahren und ich verbringe noch eine Nacht auf dem Parkplatz. Aber was für eine!
Zunächst fährt der Parkranger mit seinem Pick-up vorbei. Nachdem er die Schranke geöffnet hat, kommt er noch kurz zu mir herüber und erzählt, dass es wieder illegale Feuer gäbe. Dann fährt er in den Park und kommt auch nicht wieder, bis ich mich schlafen lege.
Dafür weckt mich ein Auto, dass mit Highspeed direkt hinter mich fährt. Vermutlich, um sich hinter meinem Bus zu verstecken. Vier junge Erwachsene steigen aus. Ich bin inzwischen hellwach. Weitere Autos kommen angerast. Suchscheinwerfer sind auf uns gerichtet. Männer nähern sich dem anderen Auto und jetzt kann ich zumindest erkennen, dass es sich um Polizisten handelt. Ein wenig beruhigt mich das erst einmal aber nach 10 Minuten ziehen sie wieder ab, um in einigen hundert Metern zu warten. Nun kreist sogar ein Suchhubschrauber über uns. In dessen Lichtkegel kann ich erkennen, dass die zwei anderen Fahrzeuge von der Nationalparkverwaltung sind. Es scheint eine Pattsituation zu herrschen und meine Befürchtung bewahrheitet sich, dass Polizei und Ranger zuerst abziehen.
Die Männer und die Frau neben mir werfen eine Kippe nach der andern in die Gegend. Auch sonst beruhigt mich ihr Auftritt nicht unbedingt. Zum Glück verschwinden auch sie eine viertel Stunde nach den „Offiziellen“. Lange brauche ich, um wieder einzuschlafen! So bin ich am Morgen ziemlich übermüdet, als ich mich vom Tyresta in den nächsten Nationalpark aufmache.